Mediencommuniqué:
Dem Hüftultraschall-Screening droht das „Aus“

 


Kurzfristige „Sparerfolge“ auf dem Buckel unserer Babies?

pd. – Zürich, 26. Februar 2004 - An einer Medienorientierung in Zürich informierten Fachärzte und Gesundheitspolitiker über die drohende Streichung des Hüftultraschall-Screenings aller Neugeborenen aus dem Grundleistungskatalog des KVG’s. Die Kinderärzte befürchten, dass damit viele Hüftfehlentwicklungen unentdeckt bleiben. Die rechtzeitige Diagnose jedoch ist Grundvoraussetzung für eine vollständige Heilung. Die zu erwartenden Folgekosten bei der IV, sind höher als die aus dieser Streichung resultierenden Einsparungen beim KVG. 

Erst seit der Entdeckung und Einführung der Ultraschall-Untersuchung (Hüftsonographie) in den ersten Lebenstagen gelingt es, dass spätere Hüftleiden im Erwachsenenalter zuverlässig entdeckt werden. Diese Hüftfehlentwicklungen werden oftmals bei äusserlich völlig gesund erscheinenden Säuglingen entdeckt. Seit 1997 wurde die Hüftsonographie als generelle Routineuntersuchung (Screening) vom Bundesamt für Sozialversicherung (heute im Bundesamt für Gesundheit BAG integriert) als Pflichtleistung anerkannt und von den Krankenkassen bezahlt.

Mehr als 1000 Babies betroffen
 

Von den 70 – 80'000 Neugeborenen in der Schweiz weisen jährlich zwischen 1000 und 1200 Hüftdysplasien auf. „Alle Betroffenen werden dank dem Screening, einer flächendeckenden Untersuchung, entdeckt“, so hielt Dr. Beat Dubs, Leiter des Sonographie-Institutes Bethanien und Mitglied der Hüftkommission der FMH fest. Fällt dieses künftig weg, müssten ca. 600 Kinder damit rechnen, später schmerzhafte Operationen über sich ergehen zu lassen. Für den Kinderarzt Raoul Schmid, Präsident der SVUPP (Schweiz. Vereinigung für Ultraschall in der pädiatrischen Praxis) ist „die frühe Erkennung bedeutungsvoller Gesundheitsstörungen, deren rechtzeitige Therapie und damit die Vermeidung bleibender Beeinträchtigung, zentrale Aufgabe der Medizin. Unsere Patienten, die Eltern unserer Kinder, schenken uns für diese Vorsorge ihr Vertrauen.“ Sämtliche vom BSV/BAG geforderten Studienauflagen hätten bislang erfüllt werden können. Stossend sei indessen, dass das BAG die Anforderungen an diese seit Jahren laufenden Studien immer weiter erhöht. Es ist mittlerweile ein Grad erreicht, der das ethisch Vertretbare übersteige. Es könne nicht angehen, dass aus „Kostengründen“ Versuche mit Babies gemacht werden.

Im Zweifelsfall für die Gleichbehandlung aller Kinder

Ständerätin Erika Forster-Vannini, Vizepräsidentin der Kommission für Gesundheit und Soziales des Ständerates wies darauf hin, dass gerade in der Gesundheitspolitik Sparvorschläge oder kosteneffiziente Massnahmen hochwillkommen seien. „Skeptisch sind wir in aller Regel gegenüber neuen Leistungen und flächendeckenden Massnahmen,“ hält Forster fest. Beim Hüftultraschall Neugeborener falle insbesondere in Betracht, dass im Gegensatz zu anderen Diagnosemassnahmen bei einem positiven Befund heute vergleichsweise günstige und hochwirksame Therapien, die einen nahezu 100%igen Heilungserfolg garantierten, zur Verfügung stehen. Das Risiko, dass eine Fehlentwicklung nicht entdeckt werde, weil künftig nicht mehr alle gleichen Zugang zu dieser Präventionsuntersuchung haben, könne nicht in Kauf genommen werden. Prävention beginne beim Neugeborenen. Auf die Frage nach den Meinungsunterschieden zwischen Bund und Kinderärzten eingehend, sagt die Ständerätin, im Zweifel müsse für die Gleichbehandlung aller Kinder entschieden werden.  

Fragwürdige Sparerfolge

Aus gesundheitsökonomischer Sicht stellte Willy Oggier fest, dieses Beispiel eigne sich wohl kaum, um durch die Streichung aus dem Leistungskatalog für die Krankenversicherung Einsparungen zu erzielen. Sie betrügen, selbst unter der Annahme, dass die Untersuchung 300 statt 150 Franken koste und später keinerlei Einsparungen erzielt würden, „lediglich“ 0,16% der gesamten bezahlten Leistungen der Krankenkassen. Bekanntlich muss die Invalidenversicherung für Geburtsgebrechen bis zum 20. Altersjahr aufkommen. Es sei im schweizerischen Gesundheitswesen nicht ungewöhnlich, so Oggier, „dass der Finanzierer einer Leistung nicht mit dem Nutzniesser der Leistung zusammenhängt“. Diese Systemverzerrung sollte aber nicht dem Hüftsonographie-Screening angelastet werden. Nach Darstellung der Kinderärzte werden die durch ein allgemeines Screening verursachten Kosten durch Einsparung später notwendig werdender  Behandlungen und Operationen mehr als wettgemacht. Gegen eine Inkaufnahme einer höheren Belastung der IV „zugunsten des KVG“ wehrte sich Erika Forster-Vannini: „Man müsse bei einer politischen Beurteilung dieser Frage das Ganze betrachten“.  

Sparen, wo der Widerstand am geringsten ist?

Niemand liebt die ständig steigenden Krankenkassenprämien. Der Bundesrat wird immer wieder zu Taten aufgefordert, welche das Prämienwachstum senken sollen. Das ist auch den über 700 Kinderärzten des Forums für Praxispädiatrie bewusst. Die Sparschraube solle aber nicht dort angesetzt werden, wo die Kosten nur verschoben werden und wo der geringste Widerstand erwartet werde. Beim Schwangerschafts-Ultraschall beispielsweise werden bei vergleichbarer Datenlage ganz andere Massstäbe angesetzt. Das sei medizinisch und wirtschaftlich unsinnig und ethisch nicht vertretbar. 

Weitere Auskünfte:

  • Dr. Beat Dubs, Mitglied Hüftkommission FMH, Zürich, Tel. 01 201 01 01; Handy 079 430 53 53
  • Dr. Raoul Schmid, Präsident der Schweiz. Vereinigung für Ultraschall in der pädiatrischen Praxis (SVUPP), Baar, Tel. 079 465 66 54

  • www.babyschall.ch